Der funkende Poet

Funkamateur und Kinderbuchautor Martin Selber

Nicht wenige Jugendliche in der DDR der 1950er- und 1960er-Jahre haben ihrer Liebe zur Radio- und Funktechnik entdeckt, nachdem sie eines der Bücher von Martin Selber gelesen hatten. Der hieß eigentlich Martin Merbt, war aktiver Funkamateur, lebte unweit von Magdeburg und verfasste außer den drei bekannten Technik-Kinderbüchern mehr als 50 Romane und Kurzgeschichten, in denen auch manchmal das Funken eine Rolle spielte.

Martin Selber / Martin Merbt (1924 – 2006)

Martin Selber / Martin Merbt (1924 – 2006)

Martin Merbt, der 1924 in Dresden zur Welt kam, interessierte sich seit seiner Kindheit für die Funkerei. Bei der damaligen NS-Jugendorganisation hatte er Mitte der 30er Jahre schon sehr früh die Möglichkeit, das Morsen zu erlernen. Aus diesem Grund war es für ihn kein Problem, später den „Wehrmachtsnachrichtenschein“ zu erwerben. Als er zum Militär eingezogen wurde, erwies sich das für ihn als Vorteil, denn als Nachrichtenhelfer und Funker musste er nicht in die Kampfzone. Den Krieg erlebte Merbt als Funker und Sanitäter an verschiedenen Einsatzorten in Frankreich und an der Ostfront, wo er bei Kriegsende in russische Gefangenschaft geriet.
Merbt verfügte über ein ausgeprägtes Sprachtalent, er konnte ausgezeichnet französisch sprechen und beherrschte auch den elsässischen Dialekt. So gelang es ihm, seine russischen Bewacher davon zu überzeugen, dass er vermeintlich kein Deutscher, sondern Franzose sei. Aus diesem Grund kam er vorzeitig aus der Gefangenschaft frei und konnte schon 1945 nach Deutschland zurückkehren. Seine Eltern hatte es in den Wirren des Kriegsendes in die Gegend von Magdeburg verschlagen. So kam er nach Domersleben, heute Teil der Gemeinde Wanzleben. Dieses kleine Dorf in der Börde sollte für sein weiteres Leben zu seiner Heimat werden.

„Das macht Martin selber“
In der entbehrungsreichen Nachkriegszeit der 1940er-Jahre sehnten sich die Menschen nach Ablenkung vom tristen Alltag. Doch das kulturelle Angebot in der landwirtschaftlich geprägten Region war eher bescheiden. Deshalb entschlossen sich einige Mitglieder der Dorfgemeinschaft, für Tanz, Spiel und Theater selbst zu sorgen. Mit seinen Talenten konnte Martin Merbt sehr viel dazu beitragen. Er engagierte sich, und so entwickelte sich in Domersleben ein umfangreiches Kulturleben, an dem sich viele Dorfbewohner beteiligten. Als jemand fragte, wer denn alles organisiere, leite und einstudiere, bekam er die Antwort: „Das macht unser Martin selber“. Damit war das Pseudonym „Martin Selber“ geboren, unter dem er fortan seine zahlreichen Werke verfasste.
Auch mit Radiotechnik hat sich Martin Merbt in dieser tristen Zeit beschäftigt. Um überhaupt wieder Radio hören zu können, wurde zunächst ein Detektorempfänger gebaut. Röhren und andere Teile zum Bau eines „richtigen“ Radios waren damals nur sehr schwer aufzutreiben und wenn erhältlich, dann sehr teuer. Schließlich brauchte die Familie das Geld für wichtigere, lebensnotwendige Anschaffungen. An Funken war in den ersten Jahren nach dem Krieg zunächst überhaupt nicht zu denken. Erst als die Besatzungsmacht die Vorschriften lockerte, konnte in den späten 1950er-Jahren der Amateurfunk in der DDR wieder aufgenommen werden. Allerdings wollte die Staatsmacht seinerzeit die Kontrolle darüber behalten und erlaubte deswegen zunächst nur Klubstationen, die von der GST (Gesellschaft für Sport und Technik) betrieben wurden. Um Funkamateur werden zu können, musste man Mitglied in dieser Organisation sein. Hier lernte man das Morsen (CW) und alles, was für die Lizenzprüfung erforderlich war.

Endlich wieder funken
1957 existierte bereits eine Klubstation im Nachbardorf Hohendodeleben, das etwa 6 km von Domersleben entfernt ist. Merbt war natürlich sehr interessiert an den Aktivitäten der dortigen Funkamateure und besuchte öfters die Station. Eines Tages fragte man ihn, ob er nicht nach Magdeburg zur Lizenzprüfung mitkommen wolle. Eigentlich wollte er nur zuschauen, aber Merbt nutzte die Gelegenheit und nahm an der Prüfung teil. Er bestand auf Anhieb und war daraufhin aus Hohendodeleben unter dem Rufzeichen DM3KFG aktiv. Zu Hause in der Bodenkammer bastelte er sich die Empfangsstation DM-0827/G, an der er viele Stunden als fleißiger Kurzwellenhörer verbrachte.

Bild 2: OM Martin in seiner Funkbude in seinem Haus in Domersleben (In der Quelle [13] ist fälschlicherweise angegeben, dass es in der Klubstation Hohendodeleben aufgenommen wurde)*. (Bild: Funkamateur)

Bild 2: OM Martin in seiner Funkbude in seinem Haus in Domersleben (In der Quelle [13] ist fälschlicherweise angegeben, dass es in der Klubstation Hohendodeleben aufgenommen wurde)*. (Bild: Funkamateur)

* K.-P. Merbt über dieses Bild: „So weit ich mich erinnere, kann man hier folgendes erkennen: Vor sich von rechts nach links hat mein Vater einen alten Wehrmachtsempfänger, der nicht mehr im Gebrauch war. Der schmale Kasten ist ein Antennenverstärker, daneben der Sender EcoBuPA. Kann sein, dass die Endstufe unter dem Tisch stand. Beides sind Eigenbauten. Der kleine Kasten war wohl ein Mikrofonverstärker, die Säule davor links neben der Taste ist ein Kohlemikrofon. Das letzte Teil in der Reihe mit runder Lautsprecherabdeckung der Empfänger, und zwar ein umgebauter Schiffsempfänger, Superhet SH6. Alles auf das man direkt sieht, sind Messgeräte und eher dekorative, nicht mehr benutzte Einzelteile, meist wohl Bastelarbeiten aus vergangenen Funkerzeiten.

Das sprach sich bei der Dorfjungend herum, die sich brennend für Technik interessierte. Die jungen Leute durften ihn gerne besuchen, und er zeigte ihnen, wie sich weite Welt im Kopfhörer anhört. Schon bald waren sie vom Funk-Virus befallen, so dass Merbt mit einigen von ihnen 1958 die Sektion Nachrichtensport in Domersleben gründete. 1959 konnte man die Klubstation mit dem Rufzeichen DM3WG in Betrieb nehmen. 1960 erhielt OM Martin die Lizenz für seine eigene heimische Funkstation und das Rufzeichen DM2APG.

Bild 1: Die drei erfolgreichen Technik-Kinderbücher von Martin Selber haben viel junge Leute zur Funktechnik gebracht.

Bild 1: Die drei erfolgreichen Technik-Kinderbücher von Martin Selber haben viel junge Leute zur Funktechnik gebracht.

Besonders am Herzen lag Martin Merbt die Ausbildung Jugendlicher. Jeden Montag kam im Klub, der im Kulturhaus untergebracht war, die „Arbeitgemeinschaft der Jungen Funker“ zusammen, um das richtige Löten zu erlernen, das Morsen zu trainieren sowie sich mit der Praxis des Funkens vertraut zu machen. Alles das, was hier erarbeitet wurde, ließ Merbt in seine wohl bekanntesten Technik-Kinderbücher „Mit Spulen, Draht und Morsetaste“, „Mit Radio, Röhren und Lautsprecher“, „Mit Logbuch, Call und Funkstation“ [1] einfließen, die Ende der 1950er-Jahre im Kinderbuchverlag Berlin erschienen.

Bild 4: Junge Funkerin und junge Funker der Arbeitsgemeinschaft im Kulturhaus in den 1960er-Jahren.

Bild 4: Junge Funkerin und junge Funker der Arbeitsgemeinschaft im Kulturhaus in den 1960er-Jahren.

Technisches Wissen spannend verpackt
Diese Bücher haben bei mehreren Generationen junger Menschen das Interesse an der Radio- und Funktechnik geweckt. Und etliche wurden davon auch in ihrer späteren Berufswahl beeinflusst oder sind ihr Leben lang dem Hobby Amateurfunk verfallen. Die Ursache für die besondere Faszination der Martin-Selber-Bücher liegt wohl darin, dass er die Vermittlung des notwendigen technischen Wissens in spannende Handlungen verpackte, die sich leicht lesen lassen und in denen die Jugendlichen sich selbst wiederfinden. Außerdem beschreibt er, wie man mit dem wenigen, was damals zur Verfügung stand, einfache Apparaturen basteln konnte, an denen nicht nur die prinzipielle Wirkungsweise zu erkennen ist, sondern die auch richtig funktionieren. Als Beispiel sei hier die Wäscheklammer genannt, die zur Morsetaste wurde.

Bild 5: Morsen lernen an der Leiste – auch die Kleinsten hören hochkonzentriert zu.

Bild 5: Morsen lernen an der Leiste – auch die Kleinsten hören hochkonzentriert zu.

Nicht wenige Leser seiner Bücher erinnern sich noch gerne daran, dass ihnen Martin Selber bei ihren ersten Gehversuchen auf dem Gebiet der Radiotechnik quasi als „Bastelonkel“ zur Seite gestanden ist. Für diejenigen, die diese Bücher nicht aus ihrer eigenen Kindheit bis heute herübergerettet haben, ist vor einigen Jahren sogar eine Nachdruck aufgelegt worden [2], der noch erhältlich ist und der sich großer Beliebtheit erfreut.

Bild 6: Das erste Eigenbaugerät, ein Detektor – muss doch zum Laufen zu bringen sein... [6]

Bild 6: Das erste Eigenbaugerät, ein Detektor – muss doch zum Laufen zu bringen sein… [6]



Sendeverbot am Samstag

Die Klubstation in Domersleben DM3WG, später Y45ZG, existierte bis in die 1980er-Jahre. Martin Merbt hatte sich hier jahrelang mit viel Engagement um den Nachwuchs gekümmert. Daneben war er auch mit seiner eigenen Station aktiv. Er beteiligte sich mit Erfolg an zahlreichen Contests und erhielt etliche Diplome. „OM Martin“ war regelmäßig Teil der sonntäglichen Runde auf 80 m und erfreute sich großer Beliebtheit unter den anderen Amateuren.
Nicht nur in der Luft, sondern auch auf Papier engagierte sich Merbt in Angelegenheiten des Amateurfunks. So meldete er sich in der Zeitschrift Funkamateur in den 1960er- und 1970er-Jahren immer wieder zu Wort. Zum einen, um am Beispiel von Domersleben zu zeigen, wie erfolgreiche Jugendarbeit auszusehen hat [3 – 9, 12], und zum anderen, um auf Missstände im Funkbetrieb hinzuweisen (z. B. „QSL-Pranger“) [10, 11].
Bild 3: OM Martins QSL-Karten der Empfangsstation DM-0827/G und der Sendestation DM2APG, mit den damaligen Mitteln recht attraktiv gemacht. (Folgende Bilder: Familie Merbt)

Bild 3: OM Martins QSL-Karten der Empfangsstation DM-0827/G und der Sendestation DM2APG, mit den damaligen Mitteln recht attraktiv gemacht. (Bilder außer Nr. 2: Familie Merbt)

OM Martin verweigert Y-Rufzeichen
Sein selbstgebauter AM-Sender gab 60 Watt an die Langdraht-Antenne ab. Im Nahfeld war dann allerdings das TVI so stark, dass kein Empfang mehr möglich war. Deshalb verhängte die Familie Merbt zu bestimmte Zeiten ein „Sendeverbot“, insbesondere samstags, wenn im Westfernsehen der Programmplan für die folgende Woche gesendet wurde, den man sorgfältig mitschrieb – DDR-Programmzeitschriften druckten diesen damals aus naheliegenden Gründen nicht ab.
Einige der in der Klubstation in Domersleben aktiven Amateure wurden auch beruflich von ihrem Hobby geprägt und sind später z. B. als Schiffsfunker in der Welt weit herum gekommen. Bis zum Schluss nutzte OM Peter Tautz, damals mit dem Rufzeichen DM3NWG, später Y45VG, die Klubstation. Damit diese noch weiter betrieben werden konnte, zahlte er sogar die GST-Mitgliedsbeiträge für nicht mehr aktiven Amateurfunk-Kollegen weiter.

Bild 7: OM Peter Tautz, damals mit dem Rufzeichen DM3NWG, hat noch lange versucht, die Klubstation in Domersleben am Leben zu halten (Bild aus den 1970er-Jahren).

Bild 7: OM Peter Tautz, damals mit dem Rufzeichen DM3NWG, hat noch lange versucht, die Klubstation in Domersleben am Leben zu halten (Bild aus den 1970er-Jahren).

Mit der Umstellung der DM- auf Y-Rufzeichen im Jahr 1980 war OM Martin alles andere als einverstanden. Die Urkunde musste bei der GST in Magdeburg abgeholt werden. Als seine Art stillen Protestes verzichtete er darauf und war seit dem nicht mehr in der Luft. 1987 wurde die Klubstation in Domersleben, zu dieser Zeit mit dem Rufzeichen Y44ZG, endgültig zugemacht.
Martin Merbt starb 2006 im Alter von 82 Jahren.

Bild 8: In den letzten Jahren vor seinem Tod arbeitete Martin Selber als Journalist und Schriftsteller (hier 1999 an seinem Schreibtisch).

Bild 8: In den letzten Jahren vor seinem Tod arbeitete Martin Selber als Journalist und Schriftsteller (hier 1999 an seinem Schreibtisch).

Sonnenfleckenregion als Denkmal
Was bleibt, ist die Erinnerung an einen Menschen, der mit seinen mehr als 50 Werken und zahlreichen Artikeln nicht nur das Leben der Menschen seiner Umgebung, der Börde, reflektiert hat, sondern auch ganze Generationen junger Menschen mit dem Radio- und Funk-Virus infiziert hat. Und er lebt weiter in den Erinnerungen seiner damals jugendlichen Leser an die ersten Töne aus ihrem Detektor und den Morsezeichen, die sie mit dem selbstgebauten 0-V-1 aufnehmen konnten. Der DARC e. V. hat Martin Selber ein Denkmal gesetzt, in dem eine Sonnenfleckenregion nach im benannt wurde. Vermutlich wurde das von Dr. Michael Höding, DL6MHW, initiiert, der selbst nur 30 km entfernt von Domersleben aufwuchs und unter Y63UG seine ersten QSOs tätigte.
Und die Straße in Domersleben, an der das Haus der Familie Merbt steht, heißt heute „Martin-Selber-Straße“.

Autor: Peter von Bechen
Dieser Beitrag wurde in der Zeitschrift „Funkamateur“ 2012, Heft 1, Seiten 29 – 31 (www.funkamateur.de) erstmals veröffentlicht.

Literatur
[1] Selber, M.: Mit Spulen, Draht und Morsetaste, Mit Radio, Röhren und Lautsprecher (spätere Auflagen: Mit Radio, Röhren und Transistoren), Mit Logbuch, Call und Funkstation, Kinderbuchverlag, Berlin (DDR), verschiedene Auflagen ab 1958
[2] Selber, M.: 3 in 1. ISBN 978-3-936124-88-0, Funk-Verlag Bernhard Hein, Dessau.
[3] Selber, M., DM 3 WG: … und auch sonst mit viel Elan. FA 1963, H. 4, S. 123
[4] Selber, M., DM 3 WG: Selbstbau eines Taschentelefons. FA 1963, H. 7, S. 237
[5] Selber, M., DM 3 WG: Mehr als sieben Jahre. FA 1966, H. 9, S. 455
[6] Selber, M., DM 3 WG: Das erste Eigenbaugerät: Ein Detektor. FA 1968, H. 2, S. 91
[7] Selber, M., DM 3 WG: Fragen wir mal Domersleben. FA 1968, H. 1, S. 41
[8] Selber, M., DM 3 WG: Eine drahtgebundene Morsetaste. FA 1968, H. 4, S. 195
[9] Selber, M., DM 3 WG: Wie wär’s mit einer Fuchsjagd? FA 1968, H. 5, S. 246
[10] Selber, M., DM 2 APG / DM 3 WG: Ein altes Lied. FA 1970, H. 3, S. 144
[11] Selber, M., DM 3 WG / DM 2 APG: Stoßseufzer für die jungen Newcomer. FA 1973, H. 3, S.148, und H. 4, 162
[12] Selber, M., DM 2 APG: Die Domerslebener und ihre 16jährige Erfahrung. FA 1975, H. 5, S.249
[13] Brenneke, W. D.: Ein funkender Schriftsteller. FA 1968, H. 7, S. 333
(FA = Funkamateur)

Anmerkung des Autors: Wie es zu diesem Artikel kam
Ich hatte Anfang der 1990er-Jahre Gelegenheit, Teile des Nachlasses des kurz zuvor verstorbenen Karl-Heinz Schubert, langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift Funkamateur, vor der Entsorgung im Altpapiercontainer zu bewahren. Darunter war auch ein Exemplar des Buches „Mit Logbuch, Call und Funkstation“. Auf der ersten Seite findet sich eine persönliche Widmung des Autors an die Redaktion und „herzliche 73“ mit dem Datum 20.08.1959 (Bild 9).

Bild 9: Persönliche Widmung für den Funkamateur in dem Belegexemplar des Buches „Mit Logbuch, Call und Funkstation“. Das Original befindet sich heute im GFGF-Archiv, Hainichen.

Bild 9: Persönliche Widmung für den Funkamateur in dem Belegexemplar des Buches „Mit Logbuch, Call und Funkstation“. Das Original befindet sich heute im GFGF-Archiv, Hainichen.

Das Buch stand viele Jahre im Regal, bis es mir kürzlich wieder in die Hand fiel und ich auf die Idee kam, mehr über diesen Autor zu erfahren, was vielleicht auch andere „alte Funker“ bzw. „ehemalige Junge Funker“ interessieren könnte.
Im Internet gibt es bei Wikipedia knappe Informationen über Martin Selber sowie einen Hinweis auf die Website www.martin-selber.de, die von seinem Sohn als Andenken an seinen Vater betrieben wird. Ich habe Kontakt zu ihm aufgenommen und ihn im März 2011 in Domersleben in seinem Elternhaus besucht. Klaus-Peter Merbt und Peter Tautz (ex DM3NWG) haben mir bei dieser Gelegenheit sehr viel über Martin Selber sowie dessen Aktivitäten als Funkamateur berichten können. Diese Informationen bilden die wesentliche Grundlage zum vorliegenden Beitrag. An dieser Stelle möchte ich mich bei Klaus-Peter Merbt und Peter Tautz für die freundliche Unterstützung und die zur Verfügung gestellten Bilder bedanken.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Radio von peter. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

3 Gedanken zu „Der funkende Poet

  1. Danke für die Info über Martin Selber.
    Mit Spulen Draht und Morsetaste war mein erstes neues Buch, was mich näher an die Elektronik herangebracht hat. Vorher hatte ich nur Radiobücher aus den 20′ und 30′ Jahren.
    Ach ja, ein Kohlemikrofon zu machen aus geraspelten Kohlestäben von Batterien war ein Mißerfolg. Ich bereue noch, das Buch an einen Neffen gegeben habe, der es nicht geachtet hat.
    Also nochmals Dank für den Artikel!

  2. Hallo Herr Bechen,
    bin durch Zufall auf diese Seite gestossen, da ich eigentlich was über Karl-Heinz Schubert suchte. Aber nichts fand.
    Ihre Beiträge (vorallem in der Funkgeschichte) finde ich immer sehr interessant. Was Sie da so auskramen, wie letztens diese Bastelkiste, erstaunt mich immer wieder.
    Also weiter so.
    Viele Grüße
    Klaus

  3. Ich bin ehemaliger Thüringer aus Eisfeld und war damals Stammkunde unserer Stadtbibliothek. Eines Tages im Jahre 1971 fielen mir die Bücher von Martin Selber in die Hände. „Mit Radio Röhren und Transistoren“, „Mit Logbuch, Call und Funkstation“ und „Mit Spulen, Draht und Morsetaste“. Obwohl ich damals gerade die erste Klasse beendete, fesselten mich solche Bücher bereits unheimlich. Mit noch nicht ganz 8 Jahren baute ich mein erstes Röhrenradio mit einer EF80. 1972 vermittelte meine Mutter ein Treffen mit dem Stationsleiter der Klubstation DM4BK des VEB Carl Zeiss in Eisfeld. Ich lernte Klaus Pfrenger (DM4BK/DM2DBK) und Artur Tautz (DM4VBK) kennen (siehe auch FUNKAMATEUR 9/1979 – „Klubstation mit Ableger“). Als absolut jüngstes Mitglied begann ich nun als Zehnjähriger 1974 meine Amateurfunkausbildung mit Morselehrgang. Artur, das „Technik-AS“, hatte auch volles Verständnis für mein Interesse an der Röhrentechnik und schenkte mir zwei EF12k zum Aufbau eines 0-V-1 nach der Bauanleitung von Martin Selber im zweiten genannten Buch. Mit 16 Jahren begann ich in Zella-Mehlis beim VEB Robotron-Elektronik meine Ausbildung als Elektroniker (Mechaniker für Datenverarbeitungs- und BÜromaschinen) und war natürlich auch bald in der Klubstation der BBS Robotron dabei. … Ich mache jetzt einen Zeitsprung in das Jahr 1986. Damals war ich Betriebsmechaniker im VEB Mikroloektronik „Anna Seghers“ in Neuhaus/Rwg., das auch unter „Röhrenwerk Neuhaus“ bekannt war, wurde aber dann im selbigen Jahr zur NVA eingezogen. Während meiner Zeit als Unteroffiziersschüler im FID kam ich mit der in der DDR lebenden Nichte des bekannten Diether Krebs zusammen und so zog ich nach Magdeburg, wo sie zu dieser Zeit studierte. Eines Tages kam ich auf die Idee, mit dem Moped die Schauplätze der geheimnisvollen Funkstation in Hohendodeleben aufzusuchen. Gegenüber der Kirche fand ich das alte Backsteingebäude der Grundschule und ausgerechnet um diese Zeit kam mir ein älterer ergrauter Herr mit Brille entgegen, bei dem ich mich nach der geheimnisvolle Funkstation erkundigte. Es war Herr Erich Müller! Ich berichtete kurz, warum ich nach der alten Schule schaute und so sagte er: „Ja die alte Station ist längst kaputt. Aber Sie können gerne den Martin Merbt in Domersleben besuchen! Der freut sich! Ihn haben schon viele besucht, die durch seine Bücher zum Amateurfunk oder zu ihrem Beruf gekommen sind“. Ich ermittelte im Telefonbuch die Rufnummer von Martin Merbt, der unter dem Pseudonym „Martin Selber“ bekannt ist und handelte mit seiner sehr freundlichen Ehefrau einen passenden Termin aus. So überraschte ich Martin mit einem kleinen Präsent und stellte mich vor. In der Stube berichtete er davon, dass er schon viele Besucher hatte und es auch für ihn interessant ist, dass es zumeist erfolgreiche Menschen waren, die durch seine Bücher inspiriert wurden. Er berichtete mir, dass er gerade seinen letzten Roman beendet habe und auf der Suche nach einem Verleger wäre. Wenn er erzählte, da hatte ich das Gefühl, seine Stimme schon einmal gehört zu haben, als ich seine Bücher las. Darauf angesprochen schmunzelte er und sagte: „Ja, das ist einfach so gekommen und ich mache das nicht bewusst. Ich schreibe eben schon immer so.“ Und Viele hätten ihm das auch schon angemerkt. Ich schaute mich um. In der Ecke der Stube stand ein Klavier. „Sie spielen Klavier?“, fragte ich. „Ja, ich habe sogar ganze Kantaten geschrieben!“, sagte er stolz und das bewies mir wieder einmal, dass es das zweite Hobby vieler Radiobastler oder Allrounder passender Weise ist, ein Instrument zu spielen. Ich spielte ja auch seit meinem 6. Lebensjahr Klavier. Martin berichtete auch darüber, wie ihm der Stasi nachstellte und welchen Schock es ihm versetze, als er BStU-Akteneinsicht beantragte und 5 Ordner präsentiert bekam. Alle Treffen auch mit westdeutschen Verlegern an der Autobahn waren dokumentiert. Aber er bezog auch Stellung dazu wie sich das wiedervereinigte Deutschland für ihn zeigt. Er prägte einen Spruch, den ich sehr gut nachvollziehen kann: „40 Jahre DDR haben es nicht geschafft, mich einen Kommunisten werden zu lassen! Jetzt DIE schaffen das!“.
    Ich habe auch „Ete“ Müller wieder besucht und von jenem Nachmittag bei Martin berichtet. … Jetzt wieder ein Zeitsprung. 1997 lernte ich Janet aus Magdeburg-Ottersleben kennen und dann kam eines Tages heraus: Erich Müller war in Hohendodeleben Klassenleiter ihrer Mutti, die aber leider schon 1978 verstorben ist. Ihr Onkel Dirk hatte Erich Müller als Musiklehrer (wie war das doch mit den Interessen Funk + Musik?). Nachdem ich beobachtete, dass die eingangs genannten Bastelbücher von Martin Selber in eBay für bis zu 68 DM gehandelt wurden, kam ich auf die Idee: Man müsste doch ein Reprint dieser Bücher herstellen können! So habe ich mir von Erich Müller das Geschenkexemplar mit Widmung von Martin ausgeliehen, eingescannt und mit Texterkennungssoftware druckreif aufgearbeitet. Als Nächstes wollte ich mir „Mit Spulen, Draht und Morsetaste“ und „Mit Radio, Röhren und Transistoren“ vornehmen. Auf der Suche nach einem Unternehmen dafür wurde mir der Bernhard-Hein-Verlag aus Dessau bekannt, der bereits einige Bücher reprintet hat.
    Ich verabredete einen Termin mit Bernhard Hein, damals noch in der Elisabethstrasse in Dessau und brachte meine bereits druckfähig aufgearbeitete Version „Mit Logbuch, Call und Funkstation“ auf CD mit, die ich auch durch mühevolles Nachbearbeiten der Zeichnungen aus zuvor vergilbten Kopien wiederhergestellt habe. Er war sofort begeistert. So entstand in weiterer Zusammenarbeit des Verlages mit Pauschalarbeitskräften und einem hervorragenden Scan-Equipment für die weiteren Bücher das Projekt „3 in 1“.
    Das Buch, in welchem alle drei Bastelbücher vereint neu aufgelegt wurde, wurde nahezu ein Bestseller, wie vorauszusehen war.

    Martin hat zeitlos geschrieben und in den Geschichten um die Arbeitsgemeinschaft in dem Buch „Mit Spulen, Draht und Morsetaste“ spürt man das ländliche Bördeklima, die Sommersonne und die Begeisterung der Jugendlichen.

    Als Bernhard Hein sich 2006 um die Nachdruckrechte bemühte, war Martin leider indessen verstorben. Als ich 2006 zu einerm Arbeitvermittler nach Domersleben fuhr, der in unmittelbarer Nachbarschaft des Grundstückes von Martin Merbt sein Büro hatte, da wurde ich auf eine Unmenge Blumen vor dem Hause aufmerksam.
    Als ich nach dem Vorstellungsgespräch vom Arbeitsvermittler heraus kam, schaute ich – Böses ahnend genauer nach Nebenan und erfuhr: Martin war verstorben! Ich war schockiert!

    Dass ich Martin Selber noch zu Lebzeiten persönlich kennenlernen durfte, war eine glückliche Fügung. Und diese Geschichte ist eine Novelle, die das Leben schrieb. Wie mir Herr Hein versicherte, konnte er von der hinterbliebenen Ehefrau des Schriftstellers die Genehmigung zur Neuauflage erhalten und so wurde der Wunsch Vieler, denen seine Bücher so viel bedeuteten, erfüllt.
    Die Gespräche von jenem Nachmittag meines Besuches bei Martin habe ich nicht vergessen und mir so Vieles mit auf den Weg gegeben. Seine Bücher bleiben ein Andenken und lassen die Erinnerung an die Zeit, wie auch bei mir alles angefangen hat, immer wieder wach werden. Erinnerungen wie ein Kindheitstraum, Erinnerungen an die kindliche Begeisterung und Unbeschwertheit, wie ein Refugium, ein beruhigendes Innehalten der Gedanken in einer von Stress geprägten Zeit.

Schreibe einen Kommentar