Einkreiser von Sachsenwerk Radeberg mit „seltsamen“ Kondensatoren
Nach dem 2. Weltkrieg waren Radios heiß begehrt, denn die Menschen wollten nicht nur Zugang zu Informationen, sondern in dieser tristen Zeit ein wenig Unterhaltung haben. Teile, aus denen sich Radios zusammenbauen lassen, wurden aber nicht produziert. Also nutzte man das, was der Krieg hinterlassen hatte. Hier in diesem kleinen Radio waren es beispielsweise Kondensatoren, die eigentlich für den Zündmechanismus von Bomben vorgesehen waren.
Radios, die in den ersten Jahren nach dem Krieg produziert wurden, können nicht mit spektakulärer Schaltungstechnik aufwarten. In der Regel handelt es sich um einfache Einkreiser. Trotzdem ist es interessant, sich mit diesen eher unscheinbaren Geräten zu beschäftigen. Wenn man versucht, sie wieder zum Leben zu erwecken, geben sie so manches interessante Detail preis, das die damalige Situation des Mangels dokumentiert. Jedes der frühen Nachkriegsradios erzählt seine eigene Geschichte und zeugt von der hohen Kunst der Improvisation, die deren Erbauer Tag für Tag bewiesen, um überhaupt Geräte produzieren zu können.
Typisches Beispiel für eine solche Nachkriegskonstruktion ist ein kleiner Einkreiser von „Sachsenwerk Radeberg“, den der Autor vor längerer Zeit im Raum Dresden erwarb. Außer der Firmenbezeichnung auf der Skala gab es keine Hinweise auf den Gerätetyp. Die Rückwand fehlte. Das Äußeres war ziemlich heruntergekommen, offensichtlich war das Radio lange feucht gelagert. So war das Holzgehäuse völlig aus dem Leim und der Lack abgeblättert.
Die erste Inspektion des Innenlebens erbrachte folgenden Befund: Es handelt sich um einen auf ein Pertinaxplatte aufgebauten „klassischen“ Einkreiser mit den Röhren AF7, AL4 und der Gleichrichterröhre AZ1. Die Metallteile waren stark korrodiert, aber insgesamt noch reparabel. Offensichtlich war auch noch alles im Originalzustand, so dass sich ein Versuch zur Restaurierung lohnte.
Wie für Geräte dieser Zeit typisch, wurden bei der Produktion viele Teile verwendet, die entweder aus Wehrmachtsgeräten stammten, oder zumindestens ursprünglich für diese vorgesehen waren. Hier sind z. B. die Kondensatoren in hermetisch verlöteten Keramikröhrchen („Sikatrop“-Kondensatoren) und die professionellen Becherkondensatoren zu nennen. Auch der Rückkopplungsdrehkondensator könnte militärischen Ursprungs sein. Es handelt sich um einen sehr stabil aufgebauten Luft-Drehkondesator mit massiven Aluminiumplatten, der durchaus aus einem KW-Sender stammen könnte.
Bauelemente aus Wehrmachtsbeständen
Im Sachsenwerk Radeberg wurden bis Kriegsende Geräte für die Wehrmacht produziert. So ist es durchaus denkbar, dass noch vorhandene Bestände an Bauelementen für die Radioproduktion benutzt wurden. Außerdem war es damals üblich, militärische Nachrichtengeräte auszuschlachten und die Teile zivilen Zwecken zuzuführen. Einige Widerstände in dem Gerät sind mit Nummern-Abziehbildchen versehen, die daruf hinweisen, dass die Teile wahrscheinlich aus Wehrmachtsgeräten stammten. Auch der Schwingkreis-Drehko, ein offensichtliches Kriegsprodukt mit Pertinaxisolation trägt solche Positionsnummern.
Ein Rätsel gaben die Lade- und Glättungskondensatoren des Netzteils auf. Es handelt sich um Aluminiumbecher, von denen jeweils zwei übereinander montiert und miteinander verbunden sind. Die etwa 3,5 cm hohen Becher mit einem Durchmesser von 5 cm haben eine Öffnung von 2,5 cm Durchmesser. Der rote Aufdruck ist undeutlich und nicht lesbar, aber es könnte sich außer um Buchstaben und Zahlen um das NS-Hoheitszeichen oder Luftwaffenadler handeln. In der Mitte befindet sich ein Preßstoffteil mit der Jahreszahl 1945 sowie weiteren Buchstaben und Zahlen.
Eine Rückfrage bei GFGF-Mitglied Herbert Börner, Ilmenau, ergab, dass zu den frühen Nachkriegsradios aus Radeberg offensichtlich keine Unterlagen vorhanden sind oder möglicherweise nie existierten. Das ist durchaus möglich, denn damals hatte man andere Sorgen, als Dokumentationen zu erstellen. Trotzdem gab Herbert Börner mit dem Verweis auf GFGF-Mitglied Karl-Heinz Kunisch, Hoyerwerda, den richtigen Tip. In seiner Sammlung befindet sich ein Gerät mit gleichem Äußerem, aber etwas anderer Schaltung.
Bombenzünder-Kondensatoren
Auch er wußte zunächst nichts über die Herkunft der Kondensatoren. Erst ein Spezialist in Militär-Technik löste das Rätsel: Diese Kondensatoren stammen aus der Zündeinrichtung von Bomben. Mit der in ihnen gespeicherten Ladung wurde beim Aufschlag ein Draht in der Zündladung zum Glühen gebracht, so dass die Bombe zündete. Die Öffnung im Kondensatorbecher diente zur Aufnahme der Mechanik des Aufschlagzünders (Weitere Details über den Zündmechanismus sind dem Autor nicht bekannt, weil er kein Bombenspezialist ist).
Die ursprüngliche Aufgabe der Bauteile, nämlich sichere Ladungsspeicherung über eine bestimmte Zeit, war nur mit Kondensatoren möglich, deren Dielektrikum hohe Isolationswerte erreicht. Auf Grund der Bauform war es aber nicht möglich, die erforderliche Kapazität mit einem Wickel zu realisieren. Deshalb wurden mehrere kleine Wickel im Becher mit Bitumen eingegossen. Die Anschlüsse sind herausgeführt und außen miteinander verlötet, um durch Parallelschaltung die erforderliche Kapazität zu erreichen. Die Zahl der Anschlußdrähte und die Verschaltung lassen darauf schließen, daß es sich um fünf Einzelkondensatoren in einem Becher handelt.
Die Kondensatoren im Gerät des Verfassers wiesen Kurzschlüsse auf und ließen sich deshalb nicht eindeutig ausmessen. Karl-Heinz Kunisch gab etwa 0,1 µF pro Einzelkondensator an, was bei der Parallelschaltung von zwei „Bombenzündern“ 1 µF ergeben würde. Für Lade- und Glättungskondensatoren eines solchen Gerätes ist dieser Wert recht knapp bemessen. Es ist deshalb zu vermuten, dass die Kapazität der Einzelkondensatoren möglicherweise größer ist.
Dieses Beispiel zeigt, wie damals Rüstungsmaterial für die Deckung von Bedarf der Zivilbevölkerung genutzt wurde. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Bombenzünder-Kondensatoren, deren ursprünglicher Zweck das Zerstören und Töten war, letztlich in Radios ihren Dienst taten, die ihren Besitzern ein wenig Freude und Unterhaltung in diese triste Zeit brachten.
Das Sachsenwerk Radeberg stellte ab 1949 keine Radios mehr her, weil hier als Reparationsleistung für die Sowjetunion Fernsehgeräte vom Typ „Leningrad“ produziert wurden.
Der Autor dankt Herbert Börner und Karl-Heinz-Kunisch für die Informationen und Hinweise.
Autor: Peter von Bechen
Der Beitrag wurde erstmals veröffentlicht in der Zeitschrift „Funkgeschichte“ Nr. 115 (1997), Publikation der GFGF e. V. (www.gfgf.org), Seiten 216 – 219. Diese Zeitschrift ist nur im Rahmen der GFGF-Mitgliedschaft zu beziehen.
Hallo Herr von Bechen,
habe auch mit diesen „Ersatz.ELKO’s“ gearbeitet! 1950, bei meiner Ausbildung als
Radio-Mechaniker, bei der Fa. Radio Bernhard Bunte, in Paderborn NRW / OWL.
Habe als Lehrling, vom Flugplatz Paderborn, Bombenzünder holen müssen und
diese dann mühsam auf gesägt um die Bauteile wie Kondensatoren und auch Widerstände zu erhalten. Je nach Kapazität wurden die „ELKO’s“ auf ein Stück Holz-Besenstiel montiert und dann im Radio, als Lade- / Siebelko eingebaut!
MfG aus Mainz
J. Vahle, Jahrgang 1932,